Carlo Rampazzi

Carlo Rampazzi im Interview: „Ich bin nicht praktisch“

© PR

Er liebt es opulent und bunt. Spielt mit Farben, Formen, Materialien und Texturen. Carlo Rampazzi, geborener Kosmopolit mit Schweizer Pass, Künstler, Designer und Innenarchitekt hat einen Stil, der provoziert und manch einen fasziniert. Er ist der Salvador Dalí der Innenausstatter. THE FREQUENT TRAVELLER-Redakteurin Heike Neuenburg traf ihn auf einen Espresso in seinem Palazzo in Ascona, wo Ausstellungsräume, Atelier und Privatwohnung auf 300 Quadratmetern fließend ineinander übergehen.

TFT: Sie gelten als kosmopolitischer Vagabund und sind als Vielflieger ständig unterwegs auf Messen, zu Kunden. Wie reisen Sie am liebsten?

Carlo Rampazzi: Ich reise am liebsten mit meinem Auto und meinem Chauffeur. Das ist für mich das Beste. Ich fühle mich dort wie in meinem Studio. Mein Chauffeur nimmt mir alles ab, kümmert sich um alles: Koffer, Route, Hotels. Ohne ihn bin ich verloren. Ich bin nicht praktisch. Mit dem Auto bin ich unabhängig, muss nicht zwei Stunden vorher am Flughafen sein und kann mich ganz auf meine Kunden konzentrieren. Das geht natürlich leider nur in Europa. Sonst fliege ich.

TFT: Was haben Sie immer dabei, wenn Sie reisen?

Ein Notizbuch, einen Stift und einen Bleistift.

TFT: Ihre Lieblingsplätze weltweit?

Ich liebe große Städte. Ascona, wo ich wohne, ist ein Ferienort. Hier habe ich all die schönen Dinge wie Himmel, Berge, den See, die Ruhe. Deshalb brauche ich als Kontrast große Städte: die Power, den Kontakt zu Kunst, die Schnelligkeit. Das gibt mir Energie. Trotzdem möchte ich auch in der Masse der Großstadt ein Mensch sein. Man soll mich auch am Madison Square in New York als Unikat erkennen.

TFT: Sie sind für Ihre Opulenz, Ihre bunten Fantasiewelten bekannt, in einer Welt in der minimalistisch und puristisch als chic gilt. Wie passt das zusammen?

Mein Gefühl ist farbig. Mode und Trends interessieren mich nicht. Ich denke nicht, was andere denken, ich denke, was ich denke. Der Mensch ist selten puristisch. Meistens ist es die nur Idee, mehr zu zeigen, als zu sein. Ich versuche, die Träume meiner Kunden zu erfüllen. Sie trauen sich oft nicht. Träume sind immer bunt. Sonst sind sie traurig. Am Anfang sind die Leute manchmal schockiert, wenn ich eine Farbe vorschlage, von der ich überzeugt bin, das sie zu ihnen passt. Doch dann wird sie zu ihrer persönlichen Farbe und auch nach 40 Jahren noch lieben sie sie, weil sie zu ihrem persönlichen Stil geworden ist.  

TFT: Wann haben Sie Ihre Liebe zum Einrichten entdeckt?

Ich glaube, gleich als ich geboren wurde. Meine Familie war weniger begeistert, hat alles versucht, mich davon abzubringen. Ich sollte in einem Versicherungsbüro arbeiten, Banker werden. Ich habe verschiedene Diplome gemacht. Doch mich hat immer nur die Kunst interessiert. Von Anfang an habe ich mich mit Farben und Einrichtungen beschäftigt.

TFT: Wer hat Sie auf Ihrem Weg beeinflusst?

Ich hatte immer meinen eigenen Stil, meine Liebe zu Farben. Schon als ich jung war, habe ich Schuhe bunt bemalt, Ray Ban Brillen gekauft und rot und blau gespritzt, als es noch keine farbigen gab. Es waren immer meine eigenen Ideen und ich habe gemacht, was ich wollte. Das war nicht einfach für meine Eltern und sie haben am Anfang versucht, mich zu bremsen. Aber ich wusste, was ich wollte.

TFT: Sie entwerfen Möbel, richten Häuser, Wohnungen, Chalets, Hotels, Restaurants, Spas, Yachten ein… Was waren Ihre Lieblingsprojekte?

Meine Lieblingsprojekte sind die, in denen sich die Kunden am Ende perfekt fühlen. Ich schaffe Unikate für meine Kunden. Doch das Wichtigste ist der Mensch. Wie ein Haute Couture Kleid muss die Wohnung für den Menschen gemacht sein, ihn umschmeicheln. Wenn alles fertig ist, die Farbe, der Duft, die Proportionen stimmen und der Kunde, wie maßgeschneidert hineinpasst und sich wohlfühlt, dann bin ich zufrieden. Das ist das Schönste für mich. Einmal erzählte mir ein Kunde, dass es seiner Frau so gut gefällt, dass sie jetzt immer zuhause bleiben möchte und keine Lust mehr auf Wochenend-Trips hat. Da habe ich für sie ein Kleid aus dem Sesselstoff entworfen und maßgeschneidert, sodass sie jetzt immer mit einem Stück Einrichtung reisen kann. Wenn Sie jetzt einen Sessel bei mir kaufen, bekommen Sie das passende Kleid dazu.

TFT: Ist Nachhaltigkeit ein Thema für Sie?

Ja, da passe ich sehr auf. Ich liebe die Natur, Steine, Holz. Das gibt Energie. Ich arbeite viel mit Naturfarben und schätze die handwerkliche Arbeit, die für die Ewigkeit ist. Keine Massenproduktion. Ich mache Antiquitäten für die Zukunft. Ich habe vor 30 Jahren für einen Kunden ein Sofa hergestellt, das inzwischen drei oder vier Mal mit einem neuen Stoff bezogen wurde, aber immer noch dasselbe ist. Es ist falsch immer alles wegzuwerfen. Ich werfe auch nichts weg. Mein Haus in Ascona ist dementsprechend voll mit wunderbaren Sachen, die ich alle liebe. Aber das ist mehr ein Problem für meine Familie später. Letztes Jahr auf der Möbelmesse in Mailand habe ich eine „Spazzatura-Suite“ (Müll-Suite) mit einer Geschichte in vier Bildern gestaltet. Jemand findet einen alten Sessel auf dem Sperrmüll und restauriert ihn perfekt. Dann entdeckt er, dass dieser von Carlo Rampazzi ist, gibt ihn zu einer Auktion bei Christie’s, wo er von einem Sammler ersteigert wird. Als der Sammler stirbt, vererbt er seine Kollektion dem Louvre und der Sessel wird unter das Bild der Mona Lisa gestellt, die herabsteigt und in diesem Sessel Platz nimmt. Wer könnte ihn jetzt noch wegwerfen? (lacht) Damit wollte ich erzählen, dass meine Möbel für die Ewigkeit gemacht sind. 

TFT: Wie viele Mitarbeiter haben Sie?

Ich habe 15 Mitarbeiter in meinem Büro in Ascona und ungefähr 60 Handwerker wie Maler, Tapezier, Schreiner aus Norditalien, einige auch aus dem Tessin, die überwiegend für mich arbeiten. Immer im Januar kommen alle zu mir nach Ascona und fragen: „ Buongiorno, Buon Anno Signore Rampazzi, was machen wir dieses Jahr zusammen?“

TFT: Provozierend, perfektionistisch, risikofreudig. Wie würden Sie sich beschreiben?

Ersteres. Provozierend. Mein Stil ist provozierend. Zu perfekt ist wunderschön für die Augen, aber langweilig. Ich bin immer positiv, lieber mal einen Fehler als zu perfekt. Nichts ist schlimmer als ennuyant. Und OPTIMISTISCH, alles groß geschrieben. Ich bin immer optimistisch.

TFT: Und noch eine letzte Frage: Woran würden Sie in Zukunft gerne arbeiten?

Ich möchte für meine Kunden weiterarbeiten. Doch mein Traum wäre, wenn ich nicht mehr hier bin und ins Paradies käme, dort für Leute, die ich in diesem Leben auf der Erde nicht getroffen habe, Wohnungen einzurichten… wie Marlene Dietrich, Oscar Wilde…. (lacht) So bin ich. Ich liebe meine Arbeit für die Ewigkeit.


Vorheriger Artikel Andreas Neudahm im Interview Nächster Artikel Davidoff CEO Hans-Kristian Hoejsgaard im Interview