Andreas Neudahm Interview

Andreas Neudahm im Interview

© Michael Gilbert / Peter Gilbert

Eleganter Zwirn, adrettes Lächeln und zurückgekämmte Haare. Kaum etwas unterscheidet Andreas Neudahm von den Gästen seiner Business-Hotels. Einzig der prüfende Blick lässt darauf schließen, dass Hotels für den Interior-Designer mehr als reine Übernachtungsmöglichkeiten darstellen – sie sind seine Wirkungsstätten. Wir trafen Andreas Neudahm zum Gespräch über die Zukunft des Business-Hotels…

TFT: Wir haben uns im Leonardo Hotel in Berlin Mitte getroffen – erzählen Sie uns etwas zu der Lobby: Was war die Idee dahinter?

Neudahm: Wir befinden uns auf historischem Grund und Boden. Hier stand einst das Berliner Varieté Theater, das nach Ende des Krieges abgerissen wurde. Die Straße wiederum, an der das Hotel steht, heißt „Am Zirkus“. Diese beiden Themen – Varieté und Zirkus – nahmen wir bei der Interior-Gestaltung mit auf. An der Wand sieht man eine großformative Originalaufnahme des Varietés. Die Kunst zeigt wiederum einen kreativen Zirkus: Betritt man die Lobby, wirkt alles farbenfroh und intensiv.

Ist man als Interior-Designer auch automatisch ein guter Einrichter des eigenen Zuhauses?

Der Schuster hat meistens die schlechtesten Schuhe“, sagt man ja. Man ist eingeschränkter und wählerischer, aber natürlich richte ich mein Zuhause sorgfältig ein. Dennoch: Ich würde nie im Leben ein Hotel so entwerfen, wie ich meine eigenen vier Wände gestalten würde.

Welche Charakteristika sind für ein Business-Hotel heute unverzichtbar?

Ein gutes Bett. Ebenfalls wichtig ist ein großer Screen. Auch wenn man sich Flat-TVs schon längst leisten kann, ist das immer noch ein Luxus, auf den man nicht verzichten möchte.

Keinen Arbeitsplatz?

Früher hat der Gast einen Schwerpunkt auf den Schreibtisch gelegt. In den zukünftigen Hotels werden Sie ein Zimmer betreten und unmittelbar mit Wifi und dem großen Screen an der Wand verbunden sein – und von da aus arbeiten, Ihre Mails checken, Telefonkonferenzen abhalten.

Was ist das häufigste Problem von Hotelzimmern?

Die Zimmer werden immer kleiner. Das hat was mit der Städtebebauung zu tun. Manchmal sind die Zimmer dann aber zu klein. Vor allem die Bäder: Hier haben die Gäste einen hohen Anspruch an das Hotel. Ein großzügiges, luxuriöses Bad haben die wenigsten daheim. Daher ist das so wichtig. Überambitionierte Technik, komplizierte Lichtanlagen und so ein Chichi stören hingegen häufig und sind nicht nötig.

Woran erkennt man einen echten Neudahm?

Wir machen nicht das, was heute Trend ist – sondern das, was in vier Jahren im Trend sein wird. So garantieren wir Langlebigkeit.

Hand aufs Herz: Wie viel kreativer Spielraum bleibt, wenn man für große Ketten arbeitet, die nicht selten alle nach Retorte aussehen?

Das ist ja gerade der Kick an der Sache. Man denkt immer, bei einer Kette gäbe es keinen großen Spielraum, aber das stimmt nicht. Es ist meine Aufgabe, Corporate Design mit Individualität zusammenzubringen. Auf der anderen Seite bin ich kein Exot. Und das wissen meine Kunden.

Welche Trends zeichnen sich in der Hotellerie ab?

In den nächsten zehn Jahren sieht der Business-Gast das Hotel als ein Resort – der Gast will mehr als nur ein Zimmer. Er will unterhalten werden. Der Geschäftsreisende wird sich das Hotel nach dem angebotenen Thema aussuchen.

Was genau meinen Sie mit „Thema“?

Wenn ein Gast an Klassik interessiert ist, dann wird er in Zukunft in Hotels gehen, die sich mit diesem Thema – in welcher Form auch immer – auseinandersetzen. Kunsthotels wiederum finden Anklang bei Kunstfans und so weiter. Das funktioniert auch über die Stadt oder die Region: Man geht in ein Hotel am Hafen, und das maritime Thema wird wiederaufgegriffen.

Sie sprechen oft von der „Open Lobby“ – was bedeutet das?

Das ist ein weiteres großes Thema der zukünftigen Hotellerie. Bei der „Open Lobby“ sind wir Vorreiter. Die Lobby ist das Wohnzimmer des Hauses. Das heißt, der Gast betritt den Raum und kann ihn sofort erfassen und erkennt, wo er etwas vorfindet. Er muss immer die Bar sehen, damit er direkt weiß, dass er hier abends bleiben kann und noch einen guten Drink bekommt. Er muss sehen, ob und wo er Geschäftspartner empfangen kann, ohne dass er sich außerhalb treffen muss. Heißt, es muss eine in sich geschlossene Sitzecke, ein Chambre separée, geben. Er muss sehen, wo man Fernsehen schauen kann, wenn ein Fußballspiel übertragen wird. Kurzum: Die Lobby sollte wie ein Wohnzimmer mit den verschiedenen Bereichen aufgebaut sein.


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