GH Medienhaus Berlin Antonia Schulemann

GH Medienhaus Berlin: Im Interview mit Antonia Schulemann

© GH Medienhaus Berlin

Mitten in der Corona-Krise gründete Antonia Schulemann ihr GH Medienhaus Berlin – mit einem veralteten Produkt. Dem Buch. Scheinbar veraltet. Das muss betont werden. Das GH Medienhaus läutet nämlich eine neue Ära des Buch-Daseins ein. Als Marketing-Instrument für Unternehmer:innen einerseits, und als als Statement-Piece des guten Geschmacks in Zeiten des digitalen Wandels andererseits. Wie das alles zusammen passt? Das verrät uns Antonia Schulemann im Interview. 

Liebe Frau Schulemann, wie laufen die Geschäfte beim GH Medienhaus Berlin? 

Gut! Unsere Business-Strategie steht. Mit einem tollen Team geht’s an die Arbeit im Auftrag interessanter und innovativer Kunden. 

In Zeiten von Netflix & Co. ein Verlagshaus zu gründen ist mutig: Worin liegt heutzutage die Bedeutung des Buches? 

Nach wie vor haben wir mit dem Buch ein sehr kompaktes Produkt, das reich gefüllt ist an Ideen, Wahrheiten und Geschichten. Und Bücher haben Soul. Beim Lesen stehen wir nicht nur in Beziehung mit dem Geist des Autors, sondern treten auch in Verbindung mit unserem eigenen Intellekt. Das kann eine unglaublich inspirierende Erfahrung sein. 

Wie bewegen Sie Menschen zum Lesen?

Neulich habe ich in einem alten Buch aus der Renaissance der Begriff Virtualität gelesen. Das Wort ist also kein Zeugnis des digitalen Wandels, sondern beschreibt eine tiefliegende menschlicher Kraft. Darum geht es meiner Meinung nach. Wer liest, kreiert Dinge, die so mächtig sein können, dass Abstraktes plötzlich an Gestalt gewinnt. Um solche klaren Emotionen in uns zu triggern, braucht es also weder VR noch andere neue Technologien. Es reicht noch immer das geschriebene Wort, welches nach wie vor mehr virtuelle Energie in uns frei legt, als wir denken. Eine enorme Leistung des Gehirns.

In ihrem Verlagshaus Große Hamburger in Berlin verlegen Sie aber nicht nur Bücher: Was gehört noch alles zum Konzept? Und wie passt das alles für Sie zusammen?

Für mich steht die Wertschätzung von Büchern im Vordergrund. Im Japanischen gibt es dafür einen eigenen Begriff: Tsundoku. Das Lesen wird dabei zweitrangig und ein Buch muss nicht unbedingt gleich gelesen werden. Vielmehr geht es um Besitz und Würdigung. Deshalb verkaufen wir neben unseren eigenen Publikationen besondere kostbare Vintage Books. In London, New York und Paris werden Antiquariate immer mehr durch hippe Vintage Book Stores abgelöst. Natürlich findet sich dieser Trend auch online wieder. 

Mitten in Zeiten von Corona zu gründen ist mutig: Was geben Sie anderen Gründer:innen mit auf dem Weg? 

Ehrlichkeit: Neben großem Selbstvertrauen, braucht jede/r Gründer/in eine reelle Selbsteinschätzung. Bin ich bereit extrem viel zu arbeiten, vielleicht mein ganzes Geld zu investieren und ein hohes Maß an Verantwortung – auch für meine Mitarbeiter – zu tragen? Bin ich auch bereit enorme Rückschläge auszuhalten und zu überwinden? Wer mit fester Überzeugung sagen kann: Ja. Das ist mein Weg!, der sollte gründen. Als Lebensplan B eignet sich das Unternehmertum weniger.  

Wo steht Ihr GH Medienhaus Berlin in fünf Jahren? Was sind die nächsten Schritte

Wir sind als Verlagsbuchhandlung gestartet und wollen als das Haus für besondere und wertvolle Literatur wahrgenommen werden. In unserem Showroom – ich sage dazu auch Book Gallery – in Berlin-Mitte können sich Literatur-Liebende jederzeit umschauen, wirklich wertvolle Buchdrucke bestaunen und sie natürlich auch erwerben. Ich persönlich freue mich, wenn diese Nische expandiert und wir den Schätzen unserer Buchkultur gerade heute ihren verdienten Raum geben. 

Was lesen Sie aktuell? 

Cornelia Wusowskis Biografie über Katharina die Große, parallel zur Biografie über Abraham Lincoln und immer liegt irgendein Capote auf meinen Nachttisch. 

Wenn wir Sie heute spontan besuchen würden, was gäbe es bei Ihnen zu essen? Und was zu trinken? 

Ich mag ich es gehaltvoll wie unprätentiös: Gutes Brot, feines Gemüse und frischer Fisch – am Wochenende am liebsten aus der Mecklenburgischen Seenplatte. Dazu Wein und Wasser. 

Mit wem würden Sie gerne mal eine Tasse Kaffee trinken? Und warum?

Diese Liste ist natürlich lang. Aber ganz spontan: Clara Schumann. Der Spannungsbogen ihres künstlerisch, unternehmerisch und familiär geprägten Lebens fasziniert mich sehr. Von einer so schillernden Frau aus dem 19. Jahrhundert lässt sich ganz sicher viel erfahren. 

Und welche Frage hätten wir Ihnen stellen sollen – haben es aber nicht? 

Drei Dinge, die ich mir heute für die Gesellschaft wünsche: 

  1.   Finger weg von der instrumentellen Vernunft
  2.   Aussöhnung eigener Defizite mit dem Blick nach vorne
  3.  Der beständige Glaube an eine starke Gemeinschaft

Mehr Informationen über das GH Medienhaus Berlin gibt’s hier.


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