Sie ist die „Grande Dame“ der österreichischen Hotellerie und eine Frau mit einer langen und eindrucksvollen Karriere: Die Rede ist von Elisabeth Gürtler. Einst verantwortete Sie die Sacher-Gruppe, führte die Geschicke der Spanischen Hofreitschule und organisierte den Wiener Opernball. Heute leitet Elisabeth Gürtler das feine ASTORIA RESORT. Im Interview mit THE FREQUENT TRAVELLER spricht sie über neue Herausforderungen, Kindheitserinnerungen und warum Tradition gefährlich sein kann.
Vielen Dank, liebe Frau Gürtler, dass Sie sich die Zeit genommen haben – Sie sind doch sicher sehr beschäftigt?
Ich war sehr gut beschäftigt. Doch nach Sacher Wien, Sacher Salzburg, Geschäftsführung der Spanischen Hofreitschule und 16-Stunden Tagen, habe ich mir gesagt: So kann es nicht weitergehen. Deswegen entschloss ich mich, mich dem Hotel ASTORIA zu widmen. Auch hier habe ich gut zu tun. Aber es ist nicht so zeitkonsumierend, dass ich dazwischen nicht noch Zeit hätte.
Wo wir gerade vom Hotel ASTORIA in Seefeld sprechen: Sie verbrachten viele Jahre Ihrer Kindheit in Seefeld in Tirol. Welche besondere Erinnerung haben Sie an diese Zeit?
Es ist eine heile Welt. Ich bin Wienerin, verbrachte aber herrliche Tage in Seefeld. Damals gab es hier noch keinen ausgeprägten Tourismus, deswegen erinnere ich mich an das absolute Tiroler Idyll mitsamt sattgrünen Wiesen. Mein Vater war ein internationaler Getreidehändler und fuhr jedes Wochenende mit dem Auto nach Seefeld, um spazieren zu gehen, Pilze zu sammeln, zum Wandern. Später baute er hier das erste Hotel mit einem Hallenbad. Und so lernte ich in Seefeld beispielsweise Schwimmen und Skifahren. Kurzum: Ich verbinde viel mit diesem Ort.
Wie bringen Sie diese Erinnerungen in das heutige ASTORIA RESORT mit ein?
Ich versuche tagtäglich ein Hotel zu schaffen, das ganz nach meiner Vorstellung Gästen Erholung bietet. Das heißt, ein Produkt, das alle Sinne anspricht: Es muss optisch perfekt und edel sein. Das Hotel ASTORIA ist im Alpin Chic Stil gestaltet, mit altem, haptisch erfahrbarem Holz, Loden und Leder. Es muss gut riechen, nach einem Duft, der glücklich macht – nach Wärme und Holz. Es muss die richtige Musik laufen, etwa fröhliche Bauernmusik im ASTORIA RESORT. Die Küche sollte regional sein. Wir beziehen beispielsweise Bergzucchini von Tobias Moretti, der diese auf 1000 Metern in einer Nachbargemeinde in Tirol anbaut. Und besonders wichtig: Es muss einen Gastgeber haben, der die Gäste zusammenbringt. Und das versuche ich im ASTORIA zu sein. Denn dann ergibt sich daraus ein soziales Erlebnis, was dem Gast den Aufenthalt unvergesslich macht.
Sie haben einmal davon gesprochen, dass das ASTORIA ein „Hotel für Egoisten“ ist: Was ist damit gemeint?
„Egoist“ ist ein negativ besetzter Begriff. Aber es ist doch so: Selbst ein Ehepaar will nicht immer dasselbe. Wenn nun zwei oder gar drei Generationen miteinander reisen, hat jeder seine eigenen Bedürfnisse. Der eine möchte nur liegend entspannen, schwimmen oder wünscht sich Treatments. Der andere will die Natur mit dem E-Bike erkunden, der dritte möchte Tennisspielen und an seiner Fitness arbeiten. Genau danach ist das ASTORIA ausgerichtet, damit es für jeden persönlich erholsam ist. Und das Ganze natürlich auf höchstem Niveau eines 5 Sterne Superior Hotels: Denn im Urlaub sollte es einem nun einmal noch besser gehen, als zu Hause.
Wenn Sie zurückblicken: Welche Herausforderungen haben Sie als Frau in Ihrer beruflichen Karriere erlebt?
als Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Österreichlernte ich das Wechselspiel der Kräfte kennen: Ich verstand, wie man zu Kompromissen kommt und dass diese Kompromisse nun einmal nicht immer die besten Lösungen sind. Meine zweite wichtige Erfahrung machte ich nach dem Tod meines ersten Mannes, als mir die Schlüssel des Hotels Sacher in die Hand gedrückt wurden. Ich musste mich ganz rasch in das Geschäft einarbeiten. Es stand viel auf dem Spiel. Als Frau begegnete mir das damalige Management à la „Küss die Hand. Gnä‘ Frau“. Doch die wichtigen Infos hielt man vor mir zurück – und ich musste sie mir auf langem Weg erarbeiten. Die dritte wichtige Erfahrung sammelte ich in der Zeit, in der ich den Wiener Opernball acht Jahre lang organisierte. Ich erkannte: Dem Menschen ist es wichtig, dass man ihm Anerkennung gibt. Das ist ein wesentlicher Faktor, wil man sein Ziel erreichen! Mit nichts kann man jemanden so hart treffen, wie damit, ihm nicht das zu geben, von dem er glaubt, dass es ihm zusteht. Und jetzt, bei meiner Arbeit im ASTORIA, stellte ich immer wieder fest, dass ein Ferienhotel nichts mit Stadthotellerie zu tun hat.
Inwiefern?
Das Hotel Sacher entspricht ohne Frage einem hohen Niveau. Es hat bestgeschultes Personal, die Zimmer sind top ausgestattet. Jedoch: Der Gast kommt entweder als Business Gast oder als Stadttourist – in beiden Fällen ist er viel unterwegs. Als Gastgeberin brauchte ich mich also weniger persönlich um das Wohlergehen eines jeden Einzelnen zu kümmern. In der Ferienhotellerie aber kommt der Gast und sagt: „Ich will mich erholen“ – nur hat er keine Ahnung, wie. Da braucht er von mir die Anleitung zur Erholung. Und es liegt an mir, das Maximum für ihn rauszuholen. Dabei ist der Gast teilweise den ganzen Tag im Hotel. Ich sehe ihn morgens, mittags und abends. Sprich: Die Aufgabe als Gastgeberin ist hier viel größer.
Sie sind sicherlich eine Inspiration für viele Frauen: Was geben Sie anderen Damen mit auf den Weg?
Frauen trauen sich oftmals nicht so viel zu. Sie sind einerseits verantwortungsvoller, aber auch ängstlicher und glauben sich unter einer gläsernen Decke, die sie nicht so leicht durchbrechen können. Ich denke aber, und das gilt für Frauen wie für Männer, dass man neugierig sein muss. Wenn eine Aufgabe an einen herangetragen wird, sollte man sie voller Tatendrang annehmen und sagen: „Ja! Das mache ich!“ Widmet man sich dann dieser Aufgabe, sollte man dies mit aller Energie tun, um sein Ziel zu erreichen. Denn ich bin überzeugt, dass man immer sein Ziel erreichen kann – wenn man genügend Kraft aufbringt. Ich habe diese Erfahrung gemacht. Und das macht einen sehr, sehr stark.
Sie haben einmal offen eingeräumt, Sie hätten sich Ihren beruflichen Erfolg teuer erkauft. Was meinten Sie damit?
Man kann sich einer Sache mit aller Kraft widmen, man kann sieben Tage die Woche arbeiten, um das berufliche Ziel zu erreichen. Doch das bedeutet auch, dass man viel vernachlässigen muss. Die Familie, die Freunde, die persönliche Erholung und die Komfortzone. All das opfert man.
Etwas, was ich leider auch opfern musste, war oftmals die Weiterbildung. Nehmen wir beispielsweise die Digitalisierung. Sie entwickelt sich rasant. Und es bereitet mir Unruhe, dass ich nur die Basics beherrsche. Ich möchte aber digitales Denken verinnerlichen. Insbesondere aus Marketing-Sicht. Das ist heute Teil des beruflichen Erfolgs. Genau aus diesem Grund habe ich mich entschlossen, mehr Zeit zu schaffen, um mich weiterzubilden – auch im Bereich der Digitalisierung.
Und wie erholen Sie sich?
Erholung ist keine körperliche, sondern eine geistige Sache. Bei mir stellt sich im Kopf Erholung durch Erfolg ein. Als Beispiel: Das ASTORIA ist das offizielle FIS Hotel der Nordischen Ski WM, da gehören unter anderem Skispringen, Langlaufen und nordische Kombination dazu. Zu der WM werden namhafte Persönlichkeiten, darunter voraussichtlich gekrönte Häupter, erwartet. Für uns ist es ein sehr guter und wichtiger Schritt für unsere Öffentlichkeitsarbeit. Und genau das sorgt bei mir für Entspannung.
Sind Sie ein traditionsbewusster Mensch?
In Österreich werde ich oftmals als Herrin der Tradition bezeichnet – ich habe das Sacher mit seiner Original Sachertorte 25 Jahre lang geführt, ich habe den Opernball organisiert und die Spanische Hofreitschule geleitet – das sind Klischees, die bedient werden. Daher habe ich mich mit dem Thema Tradition intensiv beschäftigt. Ich denke, dass man sich auf Tradition nicht ausruhen darf. Das ist sehr gefährlich.
Warum?
Viele glauben, Tradition bedeute, dass nichts geändert werden muss. Das ist falsch. Tradition besteht aus Dingen, die Qualität haben und aus Dingen, die einem Zeitgeist entsprungen sind. Man muss erkennen, was an der Tradition der wertvolle Teil ist, den man bewahren soll, und was ersetzt werden kann, weil es nicht mehr dem Zeitgeist entspricht. Das bedarf einer schonungslosen Analyse und ist nicht immer leicht.
Als ich die Spanische Hofreitschule übernommen habe, gebot die Tradition noch, ausschließlich Männer zuzulassen. Jedoch: Die besten Dressurreiter sind nun einmal Frauen. Ich kam ins Nachdenken: Wenn nun die Spanische Hofreitschule behauptet, die weltbesten Dressurreiter zu haben – dann musste sie logischerweise auch für Frauen geöffnet werden. Dieser Schritt hat mir viel Gegenwind eingebracht. Selbst andere Frauen schrieben mir bitterböse Briefe – aber ich denke, diese Tradition zu ändern, war richtig.
Welche Herausforderungen sehen Sie für die kommenden Jahre in der Hotellerie?
Die Trends in der Hotellerie entwickeln sich rasant. Zudem sind sie mit einem großen Investment verbunden. Derzeit liegt ein Augenmerk im Erholungstourismus auf den Spas – und die auszustatten kostet sehr viel Geld. Wenn es nun einen neuen Trend gibt, muss das Hotel sich in einer anderen Form präsentieren. Nur ist dann die Frage, ob das Haus in der Zwischenzeit ebendieses Geld verdient hat. Ich fürchte, da werden viele auf der Strecke bleiben.
Ein zweites weiterhin wichtiges Thema ist das Thema der Mitarbeiter. Gute Mitarbeiter zu finden, ist sehr schwer. Es bedarf einerseits Kontakt auf Augenhöhe. Gleichermaßen muss der Mitarbeiter gewillt sein, sich schulen zu lassen – und im Anschluss auch im Haus zu bleiben. Und das ist die große Herausforderung für Hoteliers.
Was planen Sie für das ASTORIA RESORT in Zukunft?
Ich habe kürzlich die „Hardware“ auf den neuesten Stand gebracht. Spa, Lobby, Bar und Zimmer sind State of the Art und im Alpin Chic, was wunderbar aussieht. Nun folgt das Restaurant. Das wichtigste Ziel für mich ist es aber, dem Gast ein unvergleichliches Individualerlebnis zu bereiten. Und dafür muss ich meine Person einbringen. Ich möchte den Gästen ein soziales Erlebnis bieten, mit ihnen wandern gehe, abends mit ihnen an der Bar diskutieren oder gemeinsam essen. Das macht den perfekten Urlaub aus.
Hand aufs Herz: Wie oft gönnen Sie sich eigentlich eine Sachertorte mit Schlag?
Fast nie. Früher habe ich in der Tortenproduktion abends ab und an warmen fertig gebackenen Sacher-Teig genascht. Heute bin ich in der Holding und komme nicht mehr in die Produktionsstätte. Also bekomme ich auch gar nicht mehr die Gelegenheit dazu, verführt zu werden. Vielleicht ist das auch gut so. Ohnehin achte ich sehr auf das, was ich esse. Denn ich bin überzeugt: Wenn man leistungsfähig sein will, dann ist es schlecht, wenn man zu viele Kilos mit sich herumträgt – das macht nur müde und träge.