Andreas Neudahm Tamboho Suites Madagaskar

Andreas Neudahm über sein neuestes Projekt „Tamboho Suites Hotels“

© Neudahm Design

Herr Neudahm, lassen Sie doch einmal das Jahr 2018 Revue passieren: Was waren Ihre Highlights?

Ich schaue auf ein anstrengendes, aber sehr erfolgreiches Jahr zurück – mit vielen Hoteleröffnungen: Darunter tolle Lifestylehotels, wie das NYX Hotel in München und das NYX Hotel in Madrid. Diese Projekte wurden bereits 2016/2017 entwickelt und sind nun zur Fertigstellung gekommen. Es ist schön zu sehen, dass das, was man vor ein, zwei Jahren entwickelt hat, auch wirklich funktioniert. Und dann war da die Eröffnung der Tamboho Suites Hotels Antananarivo in der Hauptstadt Madagaskars. Das war natürlich ein Highlight.

Warum? Erzählen Sie uns ein wenig über das Projekt.

Über einen langjährigen Kunden, der in Dubai sitzt, aber in Madagaskar geboren wurde, bin ich an dieses Projekt gekommen. Madagaskar ist kein reiches Land und der Kunde will mit dem neuen Hotel seiner Heimat etwas zurückgeben. Daher hat er in der Hauptstadt Antananarivo investiert und in einer Bestandsimmobilie das Hotel errichten lassen. Da wir schon lange zusammenarbeiten, kam er mit diesem Projekt auf mich zu.

Sie kreieren oftmals das Interieur für große, internationale Hotelketten: Bei dem Projekt in Madagaskar handelt es sich nun um ein Individualhotel – was hat Sie an dem Projekt gereizt? 

Durch meine Arbeit besteht mein Leben aus Reisen. Madagaskar war ein Fleck auf der Weltkarte, den ich noch nicht gesehen hatte. Und wenn man eben diesen Fleck auch noch beruflich erobern kann, ist das doppelt spannend. 

Was ist das Besondere an dem Standort Madagaskar? 

Allein die Anreise ist ein Abenteuer. Dafür muss man teils 18 Stunden in Kauf nehmen. Vor Ort taucht man aber in eine komplett andere Welt ein, die fantastisch ist. 

Warum? 

Madagaskar ist ein Land der Gegensätze. Auf der einen Seite ein kleines Frankreich – la petite France – aufgrund der Kolonialgeschichte der Insel. So erinnert die Hauptstadt Antananarivo an manchen Ecken stark an Paris.

Auf der anderen Seite ist da die prachtvolle Natur. Das Land ist ein Paradies für Abenteurer, da es so unberührt ist. Ergänzt wird dies um die freundlichen, offenen Menschen. All das fügt sich zu einem einzigartigen Land zusammen. Und diesen Standort musste ich erst einmal verstehen, bevor ich mit der Arbeit begann.

Wo wir gerade davon sprechen: Sie sind bekannt dafür, bei Ihren Entwürfen immer auch den Standort des jeweiligen Hotels mit einzubeziehen. Wie war es bei dem Hotel in Madagaskar? 

Das Briefing war, ein europäisches Hotel nach europäischem Stil und Standard zu kreieren. Die meisten Gäste, die in diesem Vier-Sterne-Superior-Hotel übernachten, sind Leute aus dem Ausland – Diplomaten oder Vertreter etablierter, internationaler Organisationen. Deswegen sind die Zimmer sehr groß, teils über 60 Quadratmeter und mit einer Kitchenette ausgestattet: Longstay Suiten also. Die internationalen Gäste erwarten hohe Qualität. In der Hauptstadt Madagaskar gibt es jedoch nicht viele Häuser, die dem europäischen Standard entsprechen. Deswegen haben wir mit den Tamboho Suites Antananarivo eine Lücke geschlossen. 

Das Interieur wird immerwieder von hellen Farben und landestypischen verspielten Formen durchbrochen. ImArtwork spiegelt sich vor allem die einzigartige Natur Madagaskars wider. Die Insel bietet eine reiche Flora und Fauna: Darunter der Baobab, auch bekannt als Affenbrotbaum. Dieser Baum wird fotografisch in verschiedenen Kunstwerken in Szene gesetzt. Herausgekommen ist eine spannende, individuelle Melange aus europäischem und madagassischem Stil.

Ist es das erste Mal, dass Sie ein Individualhotel gestalten? 

Nein, das habe ich in der Vergangenheit schon oft für Privatkunden gemacht. Es ist allerdings nicht mein Fokus.

Inwieweit unterscheidet sich die Arbeit und kreative Leistung für ein Individualhotel von der Arbeit für eine Hotelkette? 

Bei einer Hotelkette sind Standards und die Möglichkeit der Vervielfältigung besonders wichtig. Hierzu gibt es eine initiale Präsentation. Modifizierungen werden direkt vor Ort besprochen und ab diesem Zeitpunkt ist das Projekt dann beschlossen – und es kann gebaut werden. Bei einem Individualhotel denkt der Kunde mehr aus seiner persönlichen Perspektive heraus. Deswegen ist das Hotel durchaus personalisierter. Man begleitet den Kunden enger. Das ist ein zeit- und beratungsintensiver Prozess.

Seit über 25 Jahren arbeiten Sie als Interior Designer: Kann Sie da noch etwas überraschen? 

Überraschen vielleicht nicht, faszinieren schon: Durch die digitalen Möglichkeiten hat sich die Hotellerie verändert –neue Trends kommen mit einer rasanten Geschwindigkeit. Seit der Generation Smartphone hat sich das Denken in einem Hotel gewandelt. Die Häuser müssen heute intensiver gepflegt und stets renoviert werden. Ansonsten hat man innerhalb von Sekunden eine negative 1:1-Kritik im Netz, die so rasch nicht wieder verschwindet. Das erhöht natürlich den Druck. Gleichermaßen hat die moderne Hotellerie dadurch eine neue Art der Qualität gewonnen. 

Wie hat sich der Hotelgast verändert?

Früher erwartete der Hotelgast eine Überraschung. Dadurch, dass die Hotels, die man bucht, im Netz mit Bildern und teils 360-Grad-Videos sehr gut abgebildet werden, ist die Erwartungshaltung des heutigen Gastes, wenn er das Hotel letztendlich betritt, dass eben diese Bilder bestätigt werden. Das ist die größte Herausforderung im Hotel Interior Design: Den Bildern in der Realität gerecht zu werden. Wird die Erwartungshaltung nicht erfüllt, ist der Gast enttäuscht. Deswegen ist meiner Meinung nach das Design das Wichtigste, um sich erfolgreich zu positionieren. Ich sage immer: Das Design ist die Hardware. Die Software wiederum, das Management, der Service, muss dann zur Hardware passen.

Viele Interior-Strömungen haben ihren Ursprung in der Hotellerie: Woran liegt das? 

Die meisten Gäste leben zu Hause in einem vollkommen anderen Umfeld. In einem gut gestalteten Hotel findet der Gast nun Designelemente und bekommt so das Vorstellungsvermögen, wie er Design-Details für sich zu Hause modifizieren kann. Er adaptiert das Design. Plus: Hotels müssen gestalterisch immer einen Schritt voraus sind. Wenn ich jetzt ein Hotel konzipiere, das 2020 eröffnet, dann muss ich es so entwerfen, dass es auch zum Eröffnungstermin noch up to date ist.  

Ganz allgemein: Wie sieht die Zukunft der Hotellerie aus? 

Ich glaube, Hotels werden zunehmend wieder Orte der Zusammenkunft – und der Gast ist ein wichtiger Teil dieses Konzepts. Entscheidend ist nämlich nicht mehr der Preis oder die zentrale Lage. Gäste suchen sich zunehmend Orte aus, an denen sie sich geborgen fühlen. Deswegen sollte die Lobby für jeden einladend wirken. Die typische Rezeptionssituation wird es bald nicht mehr geben – da man ohnehin via Smartphone bereits eingecheckt hat. Man isst nicht mehr in einem steifen Restaurant, sondern bestellt sich entspanntes Fingerfood. Business-Gespräche finden nicht mehr in angemieteten Konferenzräumen statt, sondern direkt in der Lobby auf einem gemütlichen Sofa. Und der Gast ist in all dem der Hauptdarsteller. Wir Designer kreieren die Bühne, auf der sich der Gast initiiert – ohne es zu merken, versteht sich. 

Nun blicken Sie gen 2019: Was steht bei Ihnen an? 

Auch 2019 wird es viele Neueröffnungen geben. Ein Lifestylehotel ist bereits eröffnet, in Mannheim. Es folgt ein weiteres, tolles Lifestylehotel in Bilbao. Dann stehen noch eine Totalrenovierung in Budapest an sowie die Eröffnung des größten Tagungshotels in Amsterdam mit weit über 400 Zimmern. Ende des Jahres wird der Fokus auf Neubauprojekten liegen – unter anderem ein neues In-Hotel mit 380 Zimmern in Warschau.

Blicken Sie für uns noch ein wenig weiter: Wie wird sich die Arbeit des Interior Designer in Zukunft verändern?

Es ist derzeit unheimlich viel im Bau. Irgendwann wird der Markt übersättigt sein. Das bedeutet, dass es in Zukunft vielmehr um Renovierungen geht, sprich: Altprojekte zu „refreshen“. Hierauf freue ich mich. Denn es ist immer wieder eine tolle Aufgabe, ein Haus, das ganz lange für etwas stand, neu zu positionieren. Das ist, wie wenn man einen Oldtimer mit viel Hingabe restauriert. Es entsteht etwas Großartiges. Denn ich finde: Es muss nicht immer neu gebaut werden, damit etwas gut wird. 


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