Bodo Sperlein LOEWE

Interview mit Bodo Sperlein – Designer & Creative Director bei LOEWE

© PR

Er ist einer der wichtigsten Designer Deutschlands und Europas und Creative Director für LOEWE: Die Rede ist von Bodo Sperlein. Im Gespräch mit THE FREQUENT TRAVELLER spricht der Designer über die Unterschiede zwischen London und Berlin, Inspiration, gute Investitionen und krumme Tassen…

Herr Sperlein, in den 90er Jahren zog es sie in das „viel spannendere London“ – finden Sie die Stadt heute noch aufregender als beispielsweise Berlin?

London ist kosmopolitischer als Berlin und extrem kulturell geprägt. 2000 Jahre Geschichte hat Berlin leider nicht zu bieten. Nicht umsonst ist London mit zurzeit über neun Millionen Einwohnern die größte Stadt Europas und ein regelrechter Hub für kreative Ideen. London ist im Gegensatz zu Berlin nicht so gezwungen cool. Alles ist viel realer. In Berlin trifft man so oft Menschen, die auf einer Fantasiewolke schweben. Das Wort „Projekt“ wird fast schon inflationär benutzt, ohne wirklich jemals in einem Projekt zu enden. Da ist oft sehr viel Fassade. In London muss das Gedankenraumschiff auch landen!

London ist der reinste Tsunami an Ideen. Unglaublich vielseitig. Inspirierend. So viel Kunst. Hier setzt man Ideen um. Man hat einfach gar nicht die Zeit, nur zu theoretisieren. In London ist so viel Power, soviel Energie, aber auch ein gewaltiger Konkurrenzdruck. Wer da nicht performed, geht schlichtweg unter.

 

Sie studierten am legendären Camberwell College of Arts, der Londoner Universität der Künste – erinnern Sie sich an das erste Stück, das Sie fertigten?

Eine etwas krumme Tasse.

 

Sie sind nicht nur Creative Director für LOEWE, sondern haben auch eine eigene Kreativ-Agentur in London, gehen immer mal wieder unterschiedliche Kollaborationen ein: Wie verzetteln Sie sich nicht bei all den Projekten?

Ich bin Verfechter von Crossover-Thinking. Denn jedes Projekt ist befruchtend für den Kreativprozess. Neue Materialien, Handwerk und die Firmenhistorie – all das ist ungeheuer hilfreich, spannende, innovative Designs zu kreieren. Ich liebe Herausforderungen und den Spagat zwischen Teetasse und dem futuristischen Flatscreen eines Fernsehers.

 

Ein Lautsprecher ist für viele Laien erst einmal funktional – wie verbindet man hier Ästhetik mit Funktionalität, ohne Überflüssiges oder Unnötiges zu kreieren?

Ästhetik ist wichtig, um ein Produkt wie einen Lautsprecher, den man jahrelang in die Verbannung des ‚bloß nicht Sehens’ geschickt hat, wieder als Objekt in den Raum zu holen. Lautsprecher wurden immer kleiner und unauffälliger gestaltet. Ich möchte zeigen, dass Speaker mehr können als nur überwältigenden Sound zu erzeugen, dass ein Lautsprecher beinahe schon skulpturalen Charakter besitzen kann. Den Rahmen, den ich Loewe klang 9 gegeben habe, unterstreicht diesen ästhetischen Ansatz. Technologie soll nicht nur technisch überzeugen, sondern auch durch einen warmen minimalistischen, skulpturalen Look. 

 

Gibt es einen Unterschied zwischen dem deutschen und dem englischen Stil bzw. der deutschen und der englischen Designszene?

Englischer Stil beschäftigt sich nicht nur mit dem Innenleben eines Produktes. English Style ist sehr ästhetisch geprägt. Eher „Form follows function“ und nicht „Function follows form“.  

Deutsches Design empfinde ich oft überdesigned und nicht besonders zeitgemäß. Manchmal denke ich, wo sich die Leute nur ihre Ideen holen. Im Media Markt? An Produkten die schon zwei Jahre alt sind?

Mein Professor am Camberwell College sagte immer: „Wenn du eine Tasse designen willst, gehe nicht ins Museum oder einen Laden, um andere Tassen anzuschauen. Geh ins Kino, schau dir Filme an, geh in den Wald, spazieren – da kommen bessere Ideen.“

In Deutschland sollte man an den Universitäten das Auge eines Kreativen besser schulen. Die Welt ist voller Ideen. Man muss sie einfach nur sehen. Das fällt einem nach einem Studium in England leichter, denn dort wird diese Art des Sehens extrem trainiert.

 

Wenn man in ein Statement Piece investieren möchte – was sollte man jetzt unbedingt kaufen?

Ich finde Jugendstil- und Art déco-Möbel ein sehr gutes Investment. Da hat sich in den letzten Jahren der Preis gut gehalten und ist am Steigen. Midcentury ist mittlerweile sehr Mainstream.

 

Sie gelten als einer der besten deutschen Designer: Gibt es Kollegen (lebend oder verstorben), die Sie bewegen – haben Sie vielleicht sogar Vorbilder?

Ich bin sehr beeindruckt von Künstlern wie Cornelia Ann Parker oder Susan Hiller. Einer meiner Superhelden ist Oscar Niemeyer und Designer wie Trude Petri.

 

Was würden Sie jungen Designern denn raten, um sich durchzusetzen?

Sei unique, entwickle deine eigene Handschrift. Bleib deiner Linie treu und setze dich durch gutes, zeitgemäßes Design von anderen ab. Design ist nicht nur ein Produkt. Man muss immer daran denken, für wen, wo und wann man Produkte entwickelt.  Lass dir niemals von anderen einreden, dass du kein Talent hast. Lege dir ein dickes Fell zu und öffne deine Augen. Es gibt endlose opportunities. Man muss sie nur wahrnehmen. 

 

Was inspiriert Sie bei Ihrer Arbeit?

Meine Umgebung. Mein Studio ist in London South Bank, einem der kreativen Hotspots Londons.

 

Was würden Sie gerne einmal für ein Projekt realisieren?

Ein Auto wäre spannend. Oder vielleicht ein ganzes Gebäude, dann hätte ich das richtige Umfeld für mein eigenes Design, mein Archiv und meine Fundstücke.

 

Herr Sperlein, wir danken Ihnen für das Gespräch.


Vorheriger Artikel Thomas Kirner vom Frankfurt Airport im Interview: „Der Erl ... Nächster Artikel Interview mit Patrick Burke von THE ATLANTIC HOTEL JERSEY