Tesla Model X Fahrbericht

Tesla Model X: Ein Fahrbericht

© Tesla

Das Model X von Tesla ist momentan das einzige E-SUV am Markt. Es erweist sich als Multitalent und Kommunikator-Typ. Aber: Das Tesla Model X ist ultrateuer und patzt beim im Detail. Ein Fahrbericht.

Die Flügeltüren gehen auf und zu, die Schalensitze fahren vor und zurück, aus den Boxen quillt über Spotify gestreamter Hip-Hop. Rund um das Tesla Model X hat sich ein Grüppchen Leute versammelt. Eigentlich wollen wir nur kurz einen Freund besuchen, doch kaum haben wir auf dem Hof gehalten, scheint sich das ganze Mehrfamilienhauses zu leeren, um sich für eine automobile Spontanparty zu treffen.

Tesla Model X Fahrbericht

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Feste soll man feiern wie sie fallen. Also geht die Fragestunde los. Einer blickt unter die Motorhaube und sieht: Da ist ja gar kein Motor, sondern ein Kofferraum. „Und wo ist der dann?“ An jeder Achse sitzt eine E-Maschine. „Und wo sind die Batterien untergebracht?“ Im Fahrzeugboden verteilt. Bei einem Radstand von 2,96 Meter ist Platz für eine ganz schöne Menge.

Tesla Model X Fahrbericht

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Die Reichweite des Tesla Model X

„Und wie sieht es mit der Reichweite aus?“, spricht ein Freund des Freundes den Knackpunkt der E-Mobilität schlechthin an. Nach Herstellerangabe soll das Model X 542 Kilometer weit kommen – wenn der größte Akkupack an Bord ist, wie im P100D, den wir von Tesla zu Testzwecken zur Verfügung gestellt bekommen haben. Allerdings lesen wir von der Cockpit-Anzeige zwischenzeitlich 350 wh/km ab, was 35 kWh auf 100 Kilometer bedeutet und einen hohen Verbrauch bedeutet. Wenn wird weiter so schnell fahren, läge der reale Aktionsradius eher bei um die 300 Kilometer. Und leider verführt das Model X zum Schnellfahren.

Wir starten wieder, allerdings nicht ohne ein paar der Freunde mit an Bord zu nehmen. Ein Fingertipp auf das 17-Zoll-Hochkant-Touchscreen unterhalb der riesigen Frontscheibe, und alle Türen schließen sich. „Unheimlich“, murmelt ein älterer Herr noch durchs offene Fenster als wir lautlos vom Hof gleiten. Dabei haben wir ihm noch längst nicht alles gezeigt, was das Model X kann. Doch zunächst müssen wir kurz meckern und die mäßige Verarbeitungsqualität erwähnen.

Tesla Model X Fahrbericht

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Schneller als viele Ferrari

Irgendwo in der Nähe der Mittelkosole knarzt das Material – ein Unding bei einem Auto, das über 160 000 Euro kostet. Doch das ist schnell vergessen, als wir den Tesla in seiner Kernkompetenz walten lassen. Wir beschleunigen.
Um die volle Kraft zu entfesseln, wird im Display der „Von Sinnen“-Schalter berührt. Dann drücken wir das Pedal durch. Es kribbelt im ganzen Körper, die Mitfahrer kreischen. In Zahlen: Nach 3,1 Sekunden ist das 2,5-Tonnen-Auto auf 100 km/h, damit beschleunigt es schneller als viele Ferrari. Beeindruckend auch: die Traktion. Nur bei feuchter Fahrbahn bringt man die Räder ansatzweise zum Durchdrehen.
„Tesla, die wollen doch jetzt den anderen Autobauern ans Leder“, so eine allgemeine Einschätzung. Und in solchen Momenten, in denen der Fahrspaß in Extase mündet, zweifelt man nicht im Ansatz an dem Vorhaben. Fakt ist: Seit April weist das einstige Start-up um Elon Musk einen höheren Börsenwert auf als Ford und GM, obwohl das US-Unternehmen noch nie einen Jahresgewinn vorweisen konnte und nur einen Bruchteil an Autos verkauft. Ob diese Strahlkraft nur eine große Blase ist, wird sich zeigen.

Ganz real funktioniert das „Tanken“ im Tesla, das tatsächlich den konventionellen Handgriffen bei Shell oder Esso ähnelt. Wer zum nächsten „Supercharger“ fährt, so heißen Teslas Schnellladestationen, die nächste 40 Kilometer entfernt, muss den Stationsstecker  nur in die Buchse am Autoheck stecken, wie die Zapfpistole in den Tankstutzen.

Tesla Model X: In 30 Minuten auf 80 Prozent Akku

Im Bildschirm steigt die Reichweitenanzeige dann Kilometer um Kilometer. In 30 Minuten ist der Akku zu 80 Prozent geladen. Wer bis Mitte Januar einen Tesla neu kaufte, der bekam den Supercharger-Strom umsonst. Seitdem verlangt Tesla im Durchschnitt 27 Cent je kWh. Teslas deutsche Kommunikationsabteilung versichert, man kaufe nur regenerativ erzeugten Strom an.

Beeindruckend ist auch das Fernbedienen des Model X, wenngleich auch Mercedes oder BMW schon ähnliche Remote Services anbieten – bei der E-Klasse oder dem neuen 5er. Wir starten die Tesla-App, wählen „Herbeiholen“ und drücken auf einen Pfeil im Handydisplay. Langsam fährt das Auto aus der Parklücke, ohne dass jemand am Steuer sitzt. Wäre der ältere Herr jetzt noch dabei, er würde er das sicher noch unheimlicher finden.

Geeignet ist die Funktion bislang nur, um das Auto aus engen Parklücken zu manövrieren, womit ein paar Meter Strecke gemeint sind. Auch muss der Funkschlüssel ziemlich nah am Fahrzeug sein. Schon aber wird an einer erweiterten Valet-Parking-Funktion gearbeitet, mit der der Tesla ganz allein in Parklücken und Parkhäusern verschwinden soll. Gleichwohl müssten dafür noch die Gesetze geändert werden, denn auch nach der neuesten Novelle zum Thema autonomes Fahren in Deutschland, muss der Fahrer immer noch jederzeit die Kontrolle über das Geschehen übernehmen können.

Tesla Model X Fahrbericht

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Wie in einem Raumschiff

Auch innen wirft die automobile Zukunft ihre Schatten voraus. Die Garnitur aus standardmäßig fünf Einzelsitzen wirkt mit ihren schwarzglänzenden, aber ein bisschen kratzempfindlichen Schalen wie aus einem Raumschiff – zumal sie sich elektrisch über das zentrale Display modular verschieben lässt. Wahlweise gibt es das Model X auch als Sechs- bzw. Siebensitzer, so wird es zum Auto für Großfamilien – die dann allerdings nicht mehr viel Gepäck dabei haben dürfen und zudem gut im Futter stehen müssen. Denn Tesla ruft bereits für die Basisversion mit 75 kWh über 100 000 Euro auf.
Dafür hat der Kunde fortschrittliche bis mutige autonome Fahrfunktionen an Bord, wenn er sich die Software aufpreispflichtig frei schalten lässt. Die Sensoren und Kameras im Fahrzeug erkennen andere Verkehrsteilnehmer und/oder die Fahrbahnränder rechts und links. Genügen dem Computer die Erkenntnisse, umfährt der Tesla selbst Verkehrsinseln. Doch Verlass ist darauf nicht. Da kann man sich aus Ingenieursicht fast glücklich schätzen, dass der Fahrer rechtlich noch dazu verpflichtet ist, die Hände am Lenkrad zu lassen.

Und wie fährt sich das Auto so, wenn man es ganz normal bedient? Die Lenkung könnte sein und das Fahrwerk komfortabler. Etwas holprig geht es über Unebenheiten, hier kommt die Luftfederung nicht mehr mit. Dafür aber merkt sie sich die GPS-Daten. Immer wenn man an einer Stelle nochmal vorbeikommt, wo man die Federung einmal hochgepumpt hat, macht sie das danach automatisch. Mehr praktischen Nutzen für mehr Komfort an Bord hätten aber wohl adaptive Dämpfer. Diese gibt es im Tesla Model X jedoch nicht zu kaufen.

Auf einen Blick

  • Motor/Antrieb: Pro Achse ein Elektromotor, Gesamtleistung 611 PS, 967 Newtonmeter.
  • Abmessungen: 5,02 Meter lang, 2,07 Meter breit, 1,68 Meter hoch. Kofferraum vorn: 187 Liter. Hinten: bis zu 2500 Liter.
  • Fahrleistungen: max. Geschwindigkeit 250 km/h, von 0 auf 100 km/h in 3,1 Sekunden.
  • Verbrauch: (laut Hersteller) kombiniert 18,5 Kilowattstunden (kWh). Lithium-Ionen-Akku mit 100 kWh, Reichweite max. 542 km. Ladezeit: 8 Stunden/per 16-Ampere-Starkstrom; über 30 Stunden/Haushaltssteckdose
  • CO2-Ausstoß lokal: 0 Gramm pro Kilometer
  • Modellspezifische Ausstattung: Supercharger-Gutschrift 400 kWh/Jahr, Navigation mit Echtzeit-Verkehrsmeldungen, Digitalradio, schlüsselloser Zugang, Luftfederung, 17-Zoll-Display, LED-Scheinwerfer
  • Sicherheit: Zehn Airbags, ABS, ESP, Notbremsassistent, große Knautschzone, Kurvenlicht, Kollisionswarnung, automatische Abstandsregelung, Parksensoren.
  • Aufpreispflichtige Extras: Autopilot mit 4 Kameras und 12 Ultraschallsensoren (6600 Euro), Siebensitzer (4600 Euro), u.a. automatische Vordertüren, Luftreinigung, Alcantara-Dachhimmel (im Paket 5900 Euro)
  • Preis: Ab 163.200 Euro.

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