Kaum ein Hotel vereint Luxus und Natur so harmonisch wie das Castello del Sole in Ascona. Hinzu kommt eine Kulinarik der besonderen Art. Unser Autor Christian Euler hat sich auf den Weg ins Tessin gemacht.
Schon die blumengesäumte Pergola-Allee zum Hotel zeugt von Grandezza. Dahinter 110.000 Quadratmeter heile Weltä samt privatem Strand. Auf dem Weg hinunter ans Ufer grasen die drei Hausesel auf einer wilden Wiese. Im Park wachsen Obstbäume unterschiedlichster Couleur. Dazwischen bequeme Ruhemöbel, auf denen allerlei anregende Lektüre wie „Gedichte, die glücklich machen“ oder „Jedes Bild ist ein Gedicht“ liegen. Für die klangliche Umrahmung sorgen die singenden Bewohner des nahen Vogelschutzgebiets. Entschleunigung wird groß geschrieben im Castello del Sole, an diesem friedvollen Ort, der von tief gestapeltem Luxus geprägt ist – frei von Wichtigtuerei oder großspuriger Präsentation des schnöden Mammons.
Ungekünstelte Gastfreundlichkeit
Mit gutem Grund kürte das Wirtschaftsmagazin Bilanz das Castello del Sole nach 2016 auch in diesem Jahr wieder zum „besten Ferienhotel der Schweiz“. Dazu trägt vor allem die auserwählte Servicekultur unter dem Gastgeberpaar Simon & Gabriela Jenny bei, die das Haus seit 2003 führen. Ungekünstelte Gastfreundlichkeit auf höchstem Niveau zeichnet die vielfach langjährigen 160 Mitarbeiter aus. Einer von ihnen ist Gianluca Turvano, der kürzlich von Bilanz zum Concierge des Jahres gewählt worden ist. Seit 21 Jahren ist er im Hotel. „Aus der Ruhe zu bringen ist ein Ding der Unmöglichkeit“, lobt das Magazin, „selbst im größten Stress ist er die Contenance in Person und sorgt mit hohem persönlichen Einsatz und menschlicher Wärme für die diskrete Erfüllung möglichst jedes Spezialwunsches.“
Die edle Herberge mit ihren 78 Doppelzimmern, Junior-Suiten und Suiten gehört zur Schweizer Luxus-Kollektion „The Living Circle“, ebenso wie das 5-Sterne-Hotel Storchen Zürich und die Restaurants Buech, das Schlattgut oberhalb von Herrliberg sowie das Rustico del Sole hoch über Ascona. Die kulinarische Marschroute in den vier Hotelrestaurants gibt seit Frühjahr vergangenen Jahres Mattias Roock vor. Er tritt in die großen Fußstapfen des charismatischen Sternekochs Othmar Schlegel, der 2016 nach zwei Jahrzehnten im Castello del Sole sein wohlverdientes Leben als Pensionär begann. 28 Mitarbeiter unterstützen Roock bei seiner Arbeit. Mit seinen erst 37 Jahren blickt er auf eine eindrucksvolle Karriere zurück. Nach der Lehre im Kempinski Hamburg wurde er Olympiasieger mit der deutschen Jugendnationalmannschaft und Kochweltmeister. Im Kempinski St. Moritz erhielt er früh seinen Michelin-Stern. Weitere Auszeichnungen folgten, unter anderem in den Kempinski-Ablegern in Shanghai und Doha sowie bei Gordon Ramsay in London.
Castello del Sole: Farm to table at its best
Für seine Tellerkunstwerke im Gourmetrestaurant „Locanda Barbarossa“ wurde er bereits im Herbst mit einem Stern ausgezeichnet. „Meine Küche basiert auf der klassisch-französischen Küche und ist geprägt von mediterraner Leichtigkeit“, beschreibt Roock seinen Stil, „eine Prise frecher geschmacklicher Abenteuer, inspiriert von meinen kulinarischen Reisen, verleiht meinen Kreationen eine ganz eigene Note.“ Der viel bemühte Begriff „regional“ ist hier keine leere Phrase, denn bei Roock gibt es keine Kompromisse.
Auf den Tisch kommt, was um das Hotel herum wächst und im hoteleigenen Landwirtschaftsbetrieb Terreni alla Maggia produziert wird. Im Garten des Castello del Sole gedeihen neben Dutzenden von Kräutern Tomaten und allem erdenklichen Früchten nicht weniger als 15 Sorten Zitrusfrüchte, darunter auch so begehrte Exoten wie Finger Lime, Kumquat und Yuzu. Letztere ist Teil eine deliziösen Desserts mit Joghurteis und Pistazie. Dort, wo die Maggia auf den Lago Maggiore trifft, wächst auf 150 Hektar neben Wein, Gemüse, Obst und Mais für die Polenta vor allem Reis. ‚Loto’ heißt die vergleichsweise kleinkörnige Risotto-Sorte, die hier, auf dem nördlichsten Reisfeld der Welt gedeiht.
Verantwortlich für den Ackerbau in der Terreni alla Maggia ist Markus Giger. Seit 1981 ist er hier und macht den Eindruck, als gäbe es nichts, was ihn jemals weglocken könnte. Giger ist Landwirt aus Berufung. „Jahr für Jahr erntet er mit seinem Team 400 Tonnen Roh-Reis, von dem nach dem Schleifen und Polieren 280 Tonnen übrig bleiben. Der Großteil landet bei den Schweizer Detailhändlern Migros, Globus und in Delikatessenläden. „Dieser Reis entspricht unserer Tradition, denn in jeder Tessiner Familie wird ein oder zwei Mal pro Woche Risotto gekocht, erzählt er voller Stolz. Sein Anbausystem benötigt weit weniger Wasser, weil die Reispflanzen nicht unter Wasser stehen, sondern bei Bedarf mit Hilfe einer Bewässerungsanlage beregnet werden. Gesät wird im April, geerntet wird Mitte Oktober, also knapp vor dem ersten Bodenfrost. „Danach muss der Reis sehr sorgfältig getrocknet werden“, sagt der Reispionier, „wird er zu schnell getrocknet, entsteht viel Bruchreis. Solche Ware kann man nicht mehr verkaufen.“ Nach der Trocknung wird der Reis geschält und in den Reismühlen von Coop und Migros poliert, sortiert und abgepackt.
Sterne-Menü aus nachhaltigen Produkten
Rund 2,5 Tonnen benötigt Hotel-Küchenchef Roock, der für das „Locanda Barbarossa“ tagtäglich neue Gerichte kreiert. Sein Signature-Menü „Sapori del nostro orto“(Aromen aus unserem Garten) ist das kulinarische Kompendium genau jener Produkte, die aus nachhaltigem Anbau stammen. So kommen Feinschmecker in den Genuss kulinarischer Preziosen wie Felchen aus dem Lago Maggiore mit drei Sorten Rettich, Joghurt und Amalfi-Zitrone, Perlhuhn mit Mais, violetter Polenta und Zwiebeln und natürlich dem hervorragenden Loto-Risotto mit grünem Spargel, weißem Merlot und Piora Alpkäse. Begleitet wird das Menü – wie könnte es anders sein – von den eigenen Weinen. Gut zehn Hektar des Landguts sind mit Weinreben bepflanzt – vor allem Merlot, aber auch Kerner, Chardonnay, Isabella und Bondola.
Der ebenso selbstbewusste wie ambitionierte Chef de Cuisine will damit „die Aromen des Castello einfangen und den Gästen zugänglich machen“ – ein Anspruch, den er mit großem Geschick erfüllt. Welcher Anteil in punkto Kosten auf die geschmacksintensiven Produkte entfällt, möchte er nicht verraten. Nur so viel: „Nichts ist günstig. Qualität spricht für sich.“ Silent Luxury, lautet Rooks Motto. Besser könnte man auch das Gesamtkonzept des Castello del Sole nicht auf den Punkt bringen.