Smart Luggage

Smart Luggage: Ich folge Ihnen unauffällig!

© Adrian vom Baur

Sie heißen „Space Case 1“ oder „Pluggage“: Die Rede ist von neuartigem Reisegepäck, das mehr kann als nur rollen. Smart Luggage ist im Trend. Vor allem Startups überschlagen sich derzeit in Versuchen, den Reisebegleitern Intelligenz einzuhauchen. Sogar das autonome Fahren ist bei Koffern schon Realität….

Was soll ein Koffer schon mehr können, als sich nur Klamotten und Zahnbürste einzuverleiben? Geht es nach Menschen wie Stefan Holwe, dann lautet die Antwort: Viel mehr. Als Gründer der Berliner Startups Horizn Studios hat er einen smarten Kabinen-Trolley entwickelt, der ganz nach dem Geschmack der „neue Generation Reisender“ ist, sagt er. Die digitalen Nomaden, aber auch viele Geschäftsreisende sind offenbar hungrig nach einer Revolution. Denn die gab es lange nicht.

Der Teleskopgriff war die letzte große Innovation

„Die großen Innovationen sind sehr überschaubar seit es Koffer gibt“, sagt Prof. Ulrich Reinhardt von der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen. Die letzte grundlegende Veränderung, die es gab, war die Umstellung auf Rollen und Teleskopgriff. Die geschah irgendwann in den Achtziger Jahren des vergangenen Jahrtausends. Aber jetzt geht was, denn auch am Gepäck ziehen die Megatrends von Digitalisierung und Internet der Dinge nicht vorbei. Dabei steht die Entwicklung am Anfang. Viele der smarten Koffer können zwar vorbestellt werden, sind aber noch nicht verfügbar oder befinden sich noch in der Finanzierung per Crowdfunding.

„Ich bin Vielreisender, seitdem ich Teenager war“, sagt Holwe. Später als Geschäftsreisender nervte ihn am Flughafen das, was viele nervt: Nirgendwo gab es eine Steckdose zum Laden des Handy-Akkus. „Wir reden über das selbstfahrende Auto und Reisen zum Mars, aber warum gibt es Gepäck, das in den Achtzigern stehen geblieben ist?“

Mit dem Koffer das Smartphone aufladen

2015 gründete Holwe Horizn Studios. Mittlerweile entwickelt, fertigt und vertreibt die Firma über einen Online-Store hochwertige Taschen und Gepäckstücke. Es gibt keine Zwischenhändler, die mitverdienen, die Preise sind moderat. Der Cabin Trolley als erstes smarte Reisegepäck der Marke kann mittels integriertem Akku Gadgets aufladen sowie per Handy-App und GPS geortet werden – etwa, wenn man ungeduldig am Gepäckband steht. „Unser Anliegen ist es, Reisen komfortabler und sorgenfreier zu gestalten“, sagt Holwe.

The „World’s Smartest Suitcase“

Während der Unternehmer in Sachen Smart Luggage in Europa so ziemlich allein ist, gibt es vor allem in den USA Firmen, die dem Gepäck endlich einen Schuss digitale Intelligenz einhauchen. BlueSmart aus San Francisco verbaut ebenfalls einen Akku als Stromvorrat. Nur ist dieser anders als bei Horizn fest im Gepäckstück eingebaut und kann nicht herausgenommen werden – bei vielen Fluglinien schließt das den Check-in als Aufgabegepäck aufgrund von Feuergefahr aus.

Dafür aber verschließt sich der BlueSmart Trolley von selbst, wenn sich der Nutzer entfernt, und dank einer eingebauten Waage im Griff lässt er sich per einfachen Hochheben wiegen. Und das Smart Luggage kann noch mehr: Das Gewicht zeigt eine Handy-App an. Über einen vergleichbaren Funktionsumfang verfügt der von einem New Yorker Pärchen erdachte Trunkster, wobei dieser sein Gewicht über ein kleines Display im Griff mitteilt und in zwei Größen kommen soll. Als „World’s Smartest Suitcase“ bewirbt die Marke PlanetTraveler aus Miami ihren Space Case 1. Auch er hat viele der genannten Features und darüber hinaus einen Bluetooth-Lautsprecher für Telefonate und Musikgenuss. Außerdem lässt sich das smarte Stück per Fingerabdruck öffnen und schließen, und es gibt einen Concierge-Service, der über eine App läuft und zum Beispiel über Gate-Änderungen informiert.

Auch das Smart Luggage von Horizn Studios bietet einen solchen Service. Der Travel Assistent kann Flüge umbuchen oder zum Beispiel die Hotelübernachtung reservieren. Hinterlegt sind dazu unter anderem Kreditkarten- und die Reisepassnummer. „Noch kommunizieren Sie per E-Mail oder SMS mit einem Menschen“, sagt Holwe. In Arbeit oder angedacht sind aber eine App mit direktem Messenger-Kanal und ein Bot. Derzeit ist der Assistent für Horizn-Kunden noch kostenfrei.

Die Global Player haben verschlafen

Und die Player der Branche? „Die großen Hersteller haben das Internet lange Zeit verschlafen“, meint Holwe. So hat die weltweit zweitgrößte Gepäckmarke Delsey aus Frankreich bislang nur einen Prototypen auf die Rollen gestellt. Pluggage heißt er, und auch er wiegt sich selbst, kennt seine Koordinaten, hat einen eingebauten Lautsprecher und kommuniziert mit dem Handy. Öffnet man den Koffer, geht eine Innenraumbeleuchtung an.

Eine zeitsparende Funktion hat der deutsche Traditionshersteller Rimowa gemeinsam mit der Lufthansa umgesetzt: den elektronischen Tag. Der Gepäckabschnitt, den man beim Check-in normalerweise erhält, erscheint am neuen Rimowa-Koffer nur noch auf dem Display. Per App und Bluetooth werden die Daten zum Koffer übertragen, der Check-in erfolgt automatisch. So könne die Gepäckabgabe am Flughafen binnen Sekunden erfolgen, wirbt Rimowa. Andere Airlines arbeiten an vergleichbaren Lösungen.

Smart Luggage: Der selbstrollende Koffer

Und es geht noch mehr. „Es ist ein alter Traum, dass sich das Gepäck selber bewegt“, sagt Zukunftsforscher Reinhardt. Tatsächlich tat sich der Branchenriese Samsonite schon mit Samsung zusammen, um an einer Lösung zu tüfteln. Gezeigt hat den selbst fahrenden Koffer als Prototyp die israelische Firma Nua Robotics, per Sensoren kann er sogar Hindernissen ausweichen. Einen artig folgenden Rollkoffer bietet auch die kalifornische Marke Travelmate Robotics.

Wissenschaftler Reinhardt prognostiziert allerdings, dass viele Menschen sich zwar intelligentes Gepäck kaufen, aber vergleichsweise selten nutzen werden. „Man probiert vielleicht dreimal aus, wo sich der Koffer auf dem Weg vom Flugzeug zum Gepäckband genau befindet.“ Danach aber lasse der Reiz wohl nach. Ein anderes Problem könnte das Gewicht sein. Vor allem wenn es sich um Carry-on-Lösungen handelt, werden die Koffer schnell zu schwer noch bevor man seine sieben Sachen verstaut hat. Manche der smarten Trolleys bringen leer um die vier Kilo auf die Waage – unattraktiv angesichts der Gewichtsgrenze von acht Kilo fürs Bordgepäck bei manchen Airlines.

Reinhardt geht davon aus, dass vor allem Menschen in die neue Welt des Reisegepäcks eintauchen, denen ihre Außenwirkung wichtig ist: „Das Prestige, das ich über Smart Luggage ausdrücke, wird in etwa so sein wie beim iPhone, das ich auf den Tisch lege.“ Dass die neuen Produkte reichlich Absatz finden, ist ihm zufolge wahrscheinlich: „Alles, was in die Luxus-Prestige-Richtung geht, hat gute Chancen.“ Es scheint zu stimmen: Horizn Studios kann sich derzeit vor Vorbestellungen kaum retten.


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