Robert Rausch Interview

Robert Rausch im Interview

© Michael Tewes

Mittlerweile in fünfter Generation führt Robert Rausch die Berliner Schokoladenfirma Rausch. Für manch einen Berliner ist der elegante Laden am Gendarmenmarkt Teil des hauptstädtischen Stadtbilds. Doch wie kann sich ein Traditionsfirma behaupten? Im Gespräch mit THE FREQUENT TRAVELLER spricht der Unternehmer über die Vorteile eines Familienunternehmens, den Entschluss, nicht im Einzelhandel vertreten zu sein und woran man gute Schokolade erkennt …

TFT: Herr Rausch, wie laufen die Geschäfte?

Sehr gut. Die Weihnachtssaison ist gerade auf ihrem Höhepunkt und wir haben alle viel zu tun. Das ist mit viel Arbeit verbunden – macht aber auch richtig Spaß, wenn man sieht, dass unser Konzept aufgeht.

Robert Rausch: Die Firma Rausch ist seit fast 100 Jahren in Familienbesitz: Wollten Sie schon immer ins Schokoladengeschäft einsteigen?

Ich hatte das Glück, dass meine Eltern mir nie Druck gemacht haben, das Familiengeschäft zu übernehmen. Und es gab eine Zeit, da wollte ich etwas komplett Eigenes machen. Vor drei Jahren bin ich dann den Jakobsweg gegangen und habe mich dort entschieden, das Familienunternehmen weiterzuführen.

Es geht mir allerdings nicht darum, nur zu verwalten, sondern das Unternehmen weiterzuentwickeln und unsere Mission nach zu außen tragen: Wir wollen die Sicht auf Schokolade verändern. Denn unsere Schokolade ist mehr als nur eine Süßigkeit.

 Sie haben vor über einem Jahr entschieden, nicht mehr im Einzelhandel vertreten zu sein, sondern „nur“ noch Online und in Ihrem Geschäft am Gendarmenmarkt: Warum?

Ich sage immer: Wir haben Rausch von der Straße geholt. Im stationären Einzelhandel konnten wir unsere Schokolade nie so präsentieren, wie sie es verdient. Unsere Schokolade ist mehr als eine Süßigkeit und das können wir dem Kunden am Supermarktregal zwischen Schokoriegel und Fruchtgummis nicht vermitteln.

Bei anderen Produkten setzt der Handel das um, beispielsweise wird beim Wein oder auch Obst und Gemüse eine ganze Erlebniswelt um das Produkt erschaffen. Bei Schokolade nicht. Das, was in unserer Schokolade steckt – ob es die handwerkliche Liebe zum Detail oder unser Ansatz „Tree-to-Door“ ist – können wir sowohl in unserem Schokoladenhaus in Berlin Mitte als auch online sehr gut kommunizieren.

Welchen Stellenwert nimmt Schokolade heute in unserer Gesellschaft ein?

Schokolade hat leider nicht mehr den Stellenwert, den sie früher hatte. In Supermärkten gibt es Schokolade bereits zu einem Einstiegspreis ab 39 Cent. Das ist ähnlich wie mit Blumen, die gibt es mittlerweile auch an jeder Tankstelle. 

Wenn man einmal bedenkt, wie viele Fachgeschäfte für Schokolade es früher gab. In diesen wurde Service groß geschrieben. Die gibt es heute nicht mehr, obwohl sich aktuell wieder ein Gegentrend entwickelt. Es gibt wieder mehr von den kleinen, schönen Geschäften für Süßwaren oder Schokolade. In unserem Schokoladenhaus am Gendarmenmarkt in Berlin Mitte hatte das mein Vater schon 1999 erkannt: ein Fachgeschäft für den puren Schokoladengenuss.

Grundsätzlich verändert sich natürlich der Konsum von Lebensmitteln, einerseits Ernährung im Allgemeinen und andererseits das Einkaufsverhalten in Bezug auf Lebensmittel.

Wie kann sich ein Traditionsunternehmen mit feinen Produkten, die man im täglichen Alltag nicht braucht, auch in der Zukunft behaupten?

Der Trend geht seit Jahren in Richtung bewusster Ernährung und das wird sich in den nächsten Jahren sicherlich noch verstärken. Unsere Schokoladen braucht man zwar nicht zwingend im Alltag, wobei der tägliche Genuss eines Stückchens Schokolade natürlich etwas Schönes ist. Genau deshalb liegen wir aber mit unserer Schokolade voll im Trend, Rausch Schokolade genießt man, die isst man nicht einfach so nebenher weg, sondern genießt sie bewusst – man tut sich oder jemand anderem etwas Gutes. Aber natürlich müssen wir uns auch weiterentwickeln in dem was wir tun.

Und wie wollen Sie das tun?

Man muss leider sagen, dass die Süßwarenbranche nicht die innovativste ist. Einerseits haben wir durch den Ausstieg aus dem Einzelhandel einen für die Branche sehr großen Schritt gewagt. Wenn man aber andererseits bedenkt, dass man sich vor zehn Jahren auch noch nicht vorstellen konnte, Schuhe online und nicht im Schuhgeschäft zu kaufen, hat sich da sehr viel getan. Warum soll das für Schokolade nicht funktionieren? Im Bereich Lebensmittel werden wir in naher Zukunft unsere Einkaufsgewohnheiten drastisch verändern.

Rausch Schokolade

Der Praline die Wertschätzung entgegen bringen, die sie verdient - eine der Ziele im Hause Rausch.

© PR / Rausch

In zweiter Konsequenz gehen wir jetzt Produkte an, deren Image aktuell etwas angestaubt ist. Wann haben Sie zuletzt Pralinen verschenkt? Früher hat man doch Personen, die einem wichtig waren, Pralinen mitgebracht, vielleicht sogar mit einem Strauß Blumen. Das macht heute niemand mehr. Die Praline – so ein tolles Produkt – hat leider in den letzten Jahren total an Wertigkeit verloren. Das liegt sicherlich auch an der Preispolitik. Heute kann man an jeder Ecke Pralinen für 1,99 € kaufen. Das wird dem Produkt nicht gerecht. Und bei unseren Pralinen steckt zudem noch sehr viel Liebe zum Detail und Handarbeit drin. Diese werden in unserer Manufaktur von echten Chocolatiers von Hand gefertigt.

Uns geht es einerseits darum, diese Wertschätzung wieder aufleben zu lassen, aber auch darum, die typische Praline – ein brauner Nougat oder Marzipan mit einer Walnuss drauf – neu zu interpretieren. Muss eine Praline braun sein? Klar, eine Praline definiert sich dadurch, dass sie zu mindestens 25 Prozent aus Schokolade besteht und mundgerecht ist. Wir werden in Zukunft viel mehr mit Formen und Farben spielen und auch mit der Größe. Die Zeiten haben sich verändert und das tun wir auch.

Sie haben weder Aktionäre noch Investoren: Was ist in Ihren Augen der Vorteil eines Familienunternehmens?

Wir sind einfach komplett unabhängig und müssen niemandem Rechenschaft ablegen. 

Was kauft man an Mehrwert, wenn man 2,60 Euro pro 100 Gramm Schokolade bezahlt?

Der Mehrwert liegt in der sehr guten Qualität unserer Plantagen-Schokoladen. Kakao lässt sich in Edelkakao und Konsumkakao unterscheiden. Wobei der Edelkakao nur fünf Prozent der Weltkakaoernte ausmacht. Und nur diesen Edelkakao verwenden wir in unseren Plantagen-Schokoladen. Da wir den Kakao in den Herkunftsländern entweder direkt bei unseren langjährigen Partnern, den Kakaobauern vor Ort (Direct Trade) oder über Kakao-Boards in dem jeweiligen Land (Single Origin) zu fairen Preisen beziehen und nicht über die Börse, hat dies natürlich seinen Preis.

Wir verwenden keine Zusatzstoffe wie Aromen oder Sojalecithin. Unsere Plantagen-Schokoladen erhalten ihre Aromen allein durch den jeweiligen Edelkakao. Und für den zarten Schmelz benötigen wir keine Fremdfette, wir geben lediglich reine Kakaobutter hinzu – übrigens eines des wertvollsten Fette der Welt. 

Woran erkennt man gute Schokolade?

 Mit jedem Ihrer fünf Sinne können Sie eine wirklich gute Schokolade erkennen. Zunächst einmal: Wenn Sie die Schokolade auspacken und sie einen Glanz hat, zeugt das von guter Qualität. Wenn Sie ein Stück der Schokolade abbrechen oder abbeißen, sollte die Bruchkante von glatter und feiner Struktur sein und nicht „bröselig“. Ein eindeutiges Qualitätsmerkmal ist auch das Knacken beim Brechen oder Abbeißen. Hören Sie diesen Knack? Wir nennen das bei unserer Schokolade den berühmten Rausch Knack. Hier kommen wir wieder zu dem, was ich bereits erwähnte: Kakaobutter ist der Knackpunkt im wahrsten Sinne des Wortes – denn je deutlicher das Knacken, desto höher ist der reine Kakao- und Kakaobutteranteil. Riechen Sie einmal an der Schokolade! Eine Schokolade kann auch ohne aromatische Zusatzstoffe fruchtig, blumig, karamellig, würzig, nussig oder auch beerig duften. Als letztes natürlich der Geschmack, lassen Sie die Schokolade auf der Zunge zergehen und schmecken Sie die verschiedenen Aromen. Auch hier: Eine gute Schokolade zergeht auf der Zunge, da Kakaobutter bei Körpertemperatur schmilzt. Eine qualitativ schlechtere Schokolade zergeht nicht, sondern klebt oftmals im Gaumen – wir nennen das „leimig“ in der Fachsprache.

Was ist für die Zukunft von Rausch geplant?

2016 war für uns der Startschuss, um den Weg für die Zukunft Rausch zu ebnen: der Ausbau unseres Online-Geschäfts. Wir haben unser Endverbraucher-Geschäft gestärkt, aber auch einen Onlineshop für Geschäftskunden aufgebaut. Zu unserem 100-jährigen Jubiläum 2018 werden wir unser Schokoladenhaus am Gendarmenmarkt in Berlin komplett umbauen. Das Schokoladen-Geschäft im Erdgeschoss sowie das Schokoladen-Café im ersten Obergeschoss werden modernisiert und so umgebaut, dass unsere Gäste auch hier Schokolade mit all ihren Sinnen erleben können. Ganz neu dazu kommt noch das zweite Obergeschoss, in dem wir eine Erlebniswelt bauen werden: Kakaopflanzen, modernste Inszenierungen, damit die Besucher „in echt“ auf unserer Kakaoplantage stehen können. Das wird kein staubiges Museum mit alten Maschinen. Unser Manufaktur-Gedanke soll hier auch viel mehr gespielt werden, bis hin zu Pralinen-Workshops und Live-Shows, wie unsere Chocolatiers aus echter Schokolade unsere Schaustücke bauen.

Das wird dann die Blaupause sein, um ab 2021 in zehn weiteren Ländern stationär vertreten zu sein. Dort werden dann aber nicht weitere Schokoladenhäuser stehen, sondern einzelne Module, die zum jeweiligen Land passen. Das kann eine Trinkschokoladen-Bar in Singapur sein oder eine Boutique mit unseren tollsten Schaustücken in Los Angeles.

 

 


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